Samstag, 28. März 2020

Komm zur Ruhe, mein Herz, … er wird alle Tränen von unseren Augen wischen.


Was für wunderschönes Wetter diese Tage doch bringen bis heute. Gut, morgen wird es wieder dunkler und kälter, aber ich kann mich nicht erinnern, wann wir zuletzt so viele sonnige und meist warme Tage am Stück hatten. Was wäre in den Städten, Parks und Ausflugsorten nur los gewesen, wenn nicht dieser kleine Virus uns alle fest im Griff und in die Kontaktsperre genommen hätte. Aber ich sage das nicht klagend, sondern nur staunend, beobachten, nachdenkend. Ich merke, wie die Sorglosigkeit der Sonne, die wärmenden Strahlen auch in angenehmer frischer, kühler Luft mir gut tun. Beim Blick aus dem Fenster freue ich mich an Knospen und aufkommendem Grün. Heute Morgen konnte ich einen Vogel beobachten, der mit einem Schnabel voll Nestbaumaterial in der Hecke verschwand. Ich höre in diesen Tagen die Naturgeräusche ganz anders und aufmerksamer. Das tut mir gut.
Ein Vorjahresnest, die neuen bleiben geschützt
 Ich spüre aber auch Unruhe, vorsichtiges, zurückhaltendes Unsicherheitsgefühl, Neugier auf die neuesten Nachrichten, sorgsames Umschauen auf meinen Alltag und auf die Menschen um mich herum: wie geht es Freunden, Bekannten, weiter weg wohnenden Verwandten, meiner Familie.
Tatsächlich habe ich überhaupt nicht eine ruhigere Zeit, wie mich der ein oder andere schon darauf angesprochen hat. Mein normaler Arbeitsalltag dreht sich in der Aufgabenaufteilung in meinem Seelsorgeteam wenig um die Gestaltung von klassischen Gemeindegottesdiensten – deswegen fällt da wenig bei mir weg. Einige Treffen und Sitzungen fallen aus, vieles wird aber auch durch Telefonkonferenzen und ähnliches ersetzt. Klar: der LebensRaum Kirche musste sehr früh geschlossen werden, viele Planungen wurden abgesagt, wir können uns dort nicht mehr treffen und für Andere da sein. Aber auch hier bleiben wir zumindest im Team im Kontakt.

Vor allem aber treibt mich um, wo ich gebraucht werde, wo ich es wichtig finde, mich persönlich und auch meine Kirche einzubringen. Die zu unterstützen, die sichbesonders in diesen Tagen auf den Weg machen, anderen zu helfen. Selbst zu helfen. Schon in einer normalen Woche vor Corona kamen zu physischen Begegnungen eine viel höhere Anzahl an telefonischen oder mail-Kontakten dazu. Das Verhältnis ist nun natürlich extrem geworden: die Kommunikation über Computer oder mobile Geräte hat massiv zugenommen. Die Dynamik sich aufstellender Hilfs- und Kommunikationsnetzwerke und die Motivation von einigen Engagierten, mit denen ich nun quasi ständig im direkten Kontakt stehe, reißt mich mit. Und ich bin froh und dankbar darüber. Aber es hat auch etwas Rastloses. Und bei allem Schwung schauen wir alle dann auch immer, was wirklich wichtig, was jetzt dran, was leistbar und hier bei uns richtig ist. 

Das ist nicht schlimm, das ist sogar sehr gut – denn gemeinsam schaffen wir mehr. Und der Weg in die Medien schreckt mich nicht und ist auch kein Gegenpol zu guten, traditionellen, althergebrachten Gewohnheiten. Er ist für viele heute ein ganz normaler Weg, Lebenswirklichkeit. Und zurzeit ist er fast der einzig mögliche. Das meiste, was ich an vielen Orten sehe und wie ich es einschätze, ist auch nicht Aktionismus, sondern eine Verstärkung dessen, was schon manchmal vor längerer Zeit vorsichtig und zart begonnen wurde. Insofern ist diese schlimme Krise, die viele und auch mich immer wieder tief berührt, verunsichert, bedrückt, trotzdem auch eine Zeit, in der ich einen starken Impuls spüre, endlich mehr vom Richtigen zu tun. Konsequenter als vorher.

Wenn die Unruhe zu groß wird, hilft es mir, mich zurückzunehmen und Ruhe und Stille zu suchen – soweit das in meinem (Familien-) Alltag möglich ist. Wenn es passt, dann „gehe“ ich am Abend nach Taizé. Die Gemeinschaft der Brüder der Communauté im Burgund, die sonst in dieser Zeit tausende meist junger Gäste beherbergen würden, hat sich auch in kleinere häusliche Gemeinschaften aufgeteilt. Alle Gäste, auch die, die aus weit entfernten Ländern für Wochen und Monate da wäre, um dort zu helfen, mussten das Dorf verlassen. Aber jeden Abend um 20:30 wird ein schlichtes, einfaches Abendgebet im Internet übertragen. Und dort finde ich oft Ruhe und Kraft für den nächsten Tag. Einfache Liedtexte mit tiefen Botschaften gehen mir ins Herz.

In diesen Tagen halte ich mich immer wieder besonders an diesem Lied fest und bewege es in meinen Gedanken und Ruhe- und Gebetszeiten. Gesungen auf Französisch:

Retourne, mon âme, à ton repos
car le Seigneur t'a fait du bien.
Il a gardé mon âme de la mort.
Il essuiera pour toujours les larmes de nos yeux.


Übersetzt: Komm wieder zur Ruhe, mein Herz, der Herr hat dir Gutes getan. Er hat dein Leben dem Tod entrissen und wird alle Tränen von unseren Augen wischen.
Es tut gut, sich beruhigen zu lassen, sich zu erinnern, was gut war. Und hoffen zu dürfen, dass auch alles gut wird.
 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen