Sonntag, 19. November 2017

Volkstrauertag 2017



Bild: Heinrich Dittmar/Fotogruppe. www.sankt-augustin.de


Frieden ist kostbar.
Im Herzen Europas nutznießen wir dieses Geschenk seit über 70 Jahren. Aber der Krieg auf dem Balkan in den 90er Jahren und die Auseinandersetzungen in der Ukraine sind gar nicht so weit weg – nur ein, zwei Tage mit dem Auto. Und der große Konflikt im Nahen Osten ist uns nicht zuletzt durch die syrischen neuen Nachbarn und ihre Nöte bedeutsam geworden.
 
Frieden ist kostbar.
Und wir müssen so viel wir nur können dafür tun. Nicht aus wirtschaftlichen Interessen. Für mich: aus Solidarität mit allen Menschen, die in Not und Leid leben. Kriegsgräber sind Mahnmale dafür und sollen die Erinnerung an den Wert  des Friedens festhalten. Wer mit offenen Augen und offenem Herzen über Kriegsgräberstätten geht, kann eine neue Perspektive auf die Bemühungen um Frieden gewinnen. Unser Gedenken ist auch ein Dienst daran.
 
Frieden ist kostbar.
In meiner Jugendzeit war ich neugierig. Ich habe mich mit einem Freund auf den Weg gemacht. Mit dem Fahrrad am ersten Tag bis in die Niederlande, am zweiten Tag bis Luxemburg, am dritten Tag erreichten wir schon Frankreich. Noch ein zwei Tage mehr, und schon kann man das Knochenhaus von Verdun erreichen. In den Vernichtungsschlachten des ersten Weltkrieges vor 100 Jahren wurden dort in kürzester Zeit und auf engstem Raum zehntausende Menschenleben vernichtet. Vermeintlich mit Gott auf der je eigenen Seite.
 
Frieden ist kostbar.
Was für eine Gnade, dass es heute möglich ist, so unkompliziert in unsere Nachbarländer zu reisen. Und dort gute Erfahrungen zu machen – spontane Hilfsbereitschaft bei einer Panne, gute Gespräche und Begegnungen mit Nachbarn beim Zelten und vieles mehr. Die Gnade, in diese lange Friedenszeit im Herzen Europas geboren worden zu sein, sollte uns demütig, dankbar und engagiert für den Frieden für unsere nahen und fernen Nachbarn, für diese und die kommenden Generationen machen.


Frieden ist kostbar.
Wir gedenken heute aller Opfer von Kriegen und Gewaltherrschaft und mahnen zum Frieden. Wir verbinden uns mit den vielen Gedenkfeiern in unserer Stadt und unserem Land, das aus guten Gründen besonders einen solchen Tag gestaltet. Erinnerung und Gedenken können und dürfen nicht auf die Toten der eigenen Familien, des eigenen Landes, nicht auf tote Soldaten und nicht auf die Toten einzelner Konflikte beschränkt sein – diesen Worten des Präsidenten des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge schließe ich mich aus christlicher Überzeugung an.
 
Frieden ist kostbar.
Die Einbeziehung aktueller Ereignisse in unser Erinnern und Gedenken mahnt uns an unser aller Aufgabe:
aus den Lehren der Geschichte die Fähigkeit zur Versöhnung
und die Förderung des gerechten Friedens,
die Wahrung der Menschenrechte an allen Orten und
die Wahrung gerechter Wohlfahrt für alle zu entwickeln.
 
Frieden ist kostbar.
Beeindruckt, beunruhigt und im Blick auf Gott und die Mitmenschen beten jede Woche Menschen in unserer Stadt für den Frieden. Jeden Freitag wird in Coventry die Litanei der Versöhnung gebetet, mit der ich meine Rede begonnen habe.
Aus der Heiligen Schrift, der Bibel, begleitet und stärkt mich ein Text, der alles Geschehen unter dem einen Himmel, der uns alle überspannt, einordnet: es gibt eine Zeit zum Weinen, aber auch zum Lachen, des Klagens, des Umarmens – und auch des Lösens, des Zerreißens, des Schweigens und des Redens, des Sterbens, auch des Krieges, aber auch des Friedens. Überdies aber hat Gott die Ewigkeit in die Herzen der Menschen gelegt. Ein Geschenk Gottes. Er tut alles in Ewigkeit.
Von ihm her können wir miteinander den Frieden gestalten.
 
Frieden ist kostbar.

Dienstag, 7. November 2017

Aktiv und Beschaulich

Ist es in der Frage nach Ihrem persönlichen Ausdruck von Christsein im alltäglichen Le­ben die vermeintlich gegensätzli­che Frage nach Aktionismus oder Weltflucht? In vielerlei Formulie­rung steht dies scheinbar gegen­einander: Innen oder Außen, Aktiv oder Kontemplativ, Tun oder Beten, Aktionismus oder Besinnung. Bi­blisch kennen wir es ähnlich aus dem Lukasevangelium bei Maria und Martha (Lk 10,38-42). 

Aktion Goldhandys auch in unseren Gemeinden:
hundert alte Mobiltelefone wurden gesammelt.
Markenzeichen christlicher Spi­ritualität, eines Lebens mit Jesus Christus im Blick, sollte aber die Balance zwischen Innenwelt und Außenwelt sein, zwischen Machen und Empfangen. Nicht alles können wir schaffen, manches wird uns geschenkt (das bedeutet Gnade) – und wir müssen auch mit Scheitern rechnen und dürfen das auch zu­lassen.

Frère Roger aus Taizé hat dies in den siebziger Jahren des ver­gangenen Jahrhunderts stark aus­gedrückt mit seiner Schrift „Kampf und Kontemplation“. Für ihn, scheinbar zurückgezogen von al­lem auf einem abgelegen Hügel im Burgund lebend, gab es keine Spi­ritualität ohne Streit und Ausein­andersetzung, und andersherum keinen Kampf für Frieden und Gerechtigkeit und die Bewah­rung der Schöpfung ohne spirituelle Tiefe und die Verankerung in Gott.

Und heute? Christliche Gemeinden, die in größeren Kontexten gedacht und or­ganisiert werden sollen? Ei­gentlich ist es ja nichts neues, denn „katholisch“ bedeutet ja aus seiner griechischen Wort­bedeutung heraus nichts anderes als „weltumfassend“. Also auch nach außen verbunden gedacht. Das steht in einer gewissen Span­nung zur Idee einer Pfarrfamilie, die sich schon gegen naheliegende Nachbarn abgrenzen muss. Ver­ständlich sind Gefühle von Ab­schiedsschmerz und Verlorensein in ungewohnten Zusammenhän­gen, aber das hat nicht unbedingt etwas mit dem Glauben zu tun. Man kann den Eindruck gewinnen, dass die Dimension des „nach au­ßen Schauens“ in gemeindlichen Kontexten ehemals nicht so wichtig gewesen sein könnte. Da kann ein Aufbrechen auch ein Segen für den eigentlichen Auftrag sein. Christus hat seine Nachfolgenden zu allen Menschen gesendet und nicht zum Einigeln aufgerufen. Am Ende jeder Messe wird uns das auch zugerufen in der Sendung.
Unser Erzbischof hat uns im Fastenhirtenbrief 2017 gefragt: „Was lässt Sie als Einzelne oder als Gemeinde in Jesu Namen erkenn­bar sein als ChristInnen in Ihrer Stadt, Ihrem Ortsteil?“ Und schon vor Jahrhunderten haben Christen geschrieben: Wir sind Gottes Bot­schaft, in Taten und Worten ge­schrieben. Mit Kurt Marti gespro­chen ist Gott ein Tätigkeitswort. Und in der Zeit großer gesellschaft­licher Bedrängnis schrieb Dietrich Bonhoeffer, dass „Christsein (…) nur in zweierlei bestehen (wird): im Beten und im Tun des Gerech­ten.“

Was ist Ihre Stärke, die Sie für ein aktives Christsein in unseren Gemeinden einbringen können? Ganz im Rahmen Ihrer Möglich­keiten, auch begrenzt, mit Freude, vielleicht auch nur als Versuch und nicht gleich verpflichtend für Jahre? Und ganz im Sinne des Zukunfts­weges für unser Erzbistum, zu dem wir aufgerufen sind: wo spüren Sie da die Verbindung zu Christus in Ihrem Leben? Wo finden Sie Gele­genheit, ihm in der Stille, im Hö­ren auf das Wort und auf die Mit­menschen, in guten Erfahrungen zu begegnen? Auch bei Maria und Martha im Evangelium muss man den Zusammenhang sehen: vorher wird uns das Beispiel des barm­herzigen Samariters gegeben, nach der Stelle mit der Bewirtung sagt Jesus seinen Nachfolgenden, wie Sie beten sollen und Gott als Vater erfahren können. Der Satz von Karl Rahner hat nichts an prophetischer Kraft verloren: „Der Christ von morgen wird einer sein, der etwas erfahren hat, ein Mystiker. Oder er wird nicht mehr sein.“