Freitag, 20. März 2015

Was ist Schokolade?

Ist sie einfach nur die Entschuldigung vom lieben Gott für Brokkoli, wie es auf Postkarten und im Internet kursiert? 
Oder etwa ein Geschenk der Götter, wenn ich es im Lexikon nachschaue? Da ist die Rede von einer Pflanze, die den Azteken heilig war, eine Gabe für Könige und sogar ein offizielles Zahlungsmittel (Kakaobohnen). 
Heute sagt nicht nur die Werbung, dass sie uns glücklich machen kann. 
Wichtig für den gut informierten Katholiken: „Sie bricht das Fasten nicht“ laut Entscheid unserer Zentralbehörde von 1569
 
Jahr für Jahr verbraucht jeder Deutsche durchschnittlich etwas mehr als elf Kilo, Europa verschlingt die halbe Ernte der Welt in diesem Bereich – das macht umgerechnet 15 Milliarden Tafeln. Wenn ich mir mein eigenes Konsumverhalten vor Augen führe, dann habe ich da auch gut zu beigetragen. In der Fastenzeit habe ich mir diesmal vorgenommen auszuprobieren, deutlich weniger und bewusster zu konsumieren. Allerdings nicht weil schlichter Verzicht schon gut ist, sondern mehr im Sinn, wie es unser Erzbischof in seinem Wort zum ersten Fastensonntag gesagt hat. Seine Vorschläge deuten eine andere Spur an.
 
Doch wo kommt die Schokolade eigentlich her? 
Ist sie etwa schmutzig – was soll das heißen?
Jeder kennt eine solche Szene: kaltes Wetter ob an St. Martin, auf dem Weihnachtsmarkt oder bei der Sternsingeraktion. Leuchtende Kinderaugen beim Kakaotrinken und die Hände an der wärmenden Tasse. Besonders bei der Sternsingeraktion, wo viel Geld für arme Kinder in anderen Ländern gesammelt und damit viel Gutes getan wird, macht mich der Kakao aber auch nachdenklich.  Nicht falsch verstehen: ich will den Kakao nicht sauer und würzig machen, wie es vielleicht seinerzeit die ersten Kolonialisten und Kurienvertreter geschmeckt haben (den reichlichen Zuckerzusatz haben erst die Europäer etabliert). Aber ist es nicht seltsam, dass manchmal der preiswerteste Kakao oder Süßigkeiten gekauft werden und auf der andere Seiten Menschen in den benachteiligten Teilen unsere Erde geholfen werden soll? Natürlich gilt das auch für ein Gemeindefest (z.B. bezüglich des Kaffees). Oder auch im Bezug auf die allzu kostengünstige Kleiderproduktion. Auch hier hat Kardinal Woelki zuletzt deutliche Worte gefunden.

Szenenwechsel: Kinder laufen mit schweren Säcken oder einer Machete in der Hand durch eine Plantage. So zu sehen in zwei Sendungen über die uns so lieb gewordene Kakaobohne, die den verklärten Blick auf das braune Gold verstören können. Unter dem Titel „Schmutzige Schokolade“ und ein paar Jahre später „Schmutzige Schokolade II“ hat ein dänischer Dokumentarfilmer in Ghana und der Elfenbeinküste recherchiert. Und so manches aufgedeckt, worüber viele Konzerne zunächst gar nicht mit ihm reden wollten. Da finden sich verschleppte und versklavte Kinder, die ohne eine Möglichkeit des Schulbesuches tagein tagaus die schweren Früchte ernten und bearbeiten. Da gibt es tausende von Unfällen mit Macheten bei Kindern, obwohl es nach allen internationalen Bestimmungen verboten wäre, dass Kinder überhaupt solches Werkzeug in die Hand nehmen. Dutzende Macheten liegen im Klassenzimmer einer Vorzeigeprojektschule eines der neuen, schönen Gütesiegel verschiedener Firmen.  Meiner Meinung nach wäre das mit den etablierten, jahrzehntelang engagierten Organisationen des partnerschaftlichen Handels, an denen teilweise die Kirchen beteiligt sind, nicht passiert.
 
Die Fairen Jecken wurden ausgezeichnet, was mich Jahr für Jahr und besonders dieses Mal freut. Die Eine-Welt-Gruppen sind unermüdlich in ihrem Einsatz – aber es könnten noch viel mehr Menschen mithelfen und die Idee fördern. Vor kurzem habe ich einen Hinweisbrief vom Erzbistum (Referat Mission, Entwicklung, Frieden) bekommen, der einladen möchte, sich mit den Themen „Fairtrade-towns“ und „Fairtrade-schools“ zu beschäftigen. Schon vorher hatte ich davon gehört und fand es spannend – wir haben im Seelsorgeteam überlegt, dass wir die Unterlagen dazu an möglichst viele Multiplikatoren und Engagierte in Gremien und Gruppen in unseren Kirchen weitergeben wollen – auch hier möchte ich Sie alle darauf hinweisen und einladen. Im Erzbistum Köln gibt es schon 14 Städte und 18 Schulen, die sich auf diesen Weg gemacht haben. Es wäre auch für uns in Sankt Augustin ein Gewinn. Machen Sie mit? Ich bin dabei.

Dienstag, 17. März 2015

Zufall oder Zeichen – unbewusst berührt im Gottesdienst


Bei der Austeilung der Kommunion an die große Gesamtgemeinde von Sankt Augustin beim Neujahrsempfang am 11. Januar dieses Jahres musste auch unser Hauptzelebrant wegen der Menge der Menschen richtig arbeiten. Auch zuvor hatte er sorgfältig die Einladung zum „Tisch des Herrn“ für möglichst alle Teilnehmer formuliert – er konnte ja nicht jeden persönlich kennen – was bei an die 800 Menschen in der großen Klosterkirche verständlich war. Bei den meisten schien das gut angekommen zu sein.
Dann hatte er aber auch gut zu tun. Und bei dieser „Speisung der Vielen“ ist ihm bei mir etwas gelungen, wovon er sicher noch nicht weiß: Ich bin ein getaufter Katholik, der große Sympathien für den Reformator Martin Luther und sein Anliegen und seine Äußerungen hat, soweit ich sie kenne und verinnerlicht habe. Ich halte ihn für eine Art „Kirchenlehrer“, der viel zum Verstehen und für die Wirksamkeit der Heiligen Schrift beigetragen hat, das heißt für das Aufkommen echter Freude daran. In seiner Nachfolge konnte Paul Gerhardt seinen Liedtext beginnen: „Fröhlich soll mein Herze springen“. Also: Martin Luther als Anwalt für ein fröhliches Christentum, oder besser: für den
Heiligen Geist, den Tröster und Lehrer, den Jesus verheißt beim Abschied
von seinen Jüngern. Was das für mich heißt? Nun, für mein christliches Glaubensverständnis spielt Luthers Lehre eine nicht unbedeutende Rolle. So sah ich mich ein wenig als katholischer Protestant – wie Luther damals. Zum Glück gibt es heute nicht mehr so viel zu protestieren wie 1517.
Nun kommt die unbeabsichtigte, für mich persönlich sich aber als berührendes Zeichen darstellende Handlung unseres Pfarrers Peter H. Emontzpohl: Er reichte mir im „Eifer des Gefechts“ der großzügigen Speisung gleich zwei Hostien. (Anmerkung der Redaktion: das „Zusammenkleben“ zweier Hostien kommt gelegentlich vor) Für mich bedeutete das im Inneren: eine für den katholisch getauften Christen – und eine für den evangelisch aufgeklärten Christen. Logisch, denn durch seine herzliche Einladung waren für mich beide angesprochen und berührt worden und willkommen.
Wäre eine solche Einstellung nicht auch ein Schritt auf unsere evangelischen Mitchristen zu – etwa im Hinblick auf ein gemeinsames Gedenken des Luther Jubiläums 2017?

Heiner Angrick