Donnerstag, 30. Juni 2016

Verwilderte Gemeinde ... (?)

Sind Sie katholisch? Oder katholisch und geistlich … „genug“? Oder möchten Sie einfach nur dabei sein und einen Kaffee in der Gemeinde trinken?
Foto: Annamartha, pixelio

Ich kenne solche Fragen auf verschiedenen Ebenen. Meine Eltern haben sich damit beschäftigt, als ich ihnen meinen Berufswunsch nannte. Ich war „gut katholisch“ sozialisiert, aber sie hatten das Gefühl, dass ich zu kritisch und zu wenig gehorsam sein könnte, um in der Kirche arbeiten zu dürfen. Später haben mich im Studium diese Fragen beschäftigt. Und dann auf den letzten Prüfungshöhepunkt hin wurden diese Fragen sehr konkret bearbeitet. Vor dem persönlichen Gespräch mit dem Erzbischof von Köln war ein Fragebogen zu Messbesuch, Heiligenverehrung und (Marien-)Frömmigkeit auszufüllen. Alle theologischen Prüfungen im Diplomstudium an der Universität waren gegen dieses Gespräch berechenbarer.
Doch der für mich wichtigste Satz in diesem „Skrutinium“ (Prüfung und Stärkung) war keine Frage des äußerlich messbaren Katholischseins, sondern schlicht über meine erste Pflicht: ein guter, christlicher Familienvater zu sein. Keine Details über die Frequenz von Gebeten, Bibellesung oder Katechismusunterricht zuhause spielten eine Rolle, sondern eben nur die Tatsache, einfach christlich zu sein. Schlicht zu handeln und die Liebe sprechen zu lassen. Papst Benedikt XVI. schrieb in „Deus Caritas est“: „Der Christ weiß, wann es Zeit ist, von Gott zu reden, und wann …, von ihm zu schweigen und nur einfach die Liebe reden zu lassen.“ Wenn ich mir das so über die Jahre anschaue, dann ist das die größte Herausforderung. Bestimmt nicht nur für mich, sondern für jede und jeden, der seinen Kindern den Weg in eine gute Zukunft bereiten möchte. Täglich abwägend und zerrissen fühlend zwischen Pflichten in Familie und Herausforderungen im Beruf. Ganz zu schweigen von dem, was ich mir selbst wünsche für ein zufriedenes Leben. Und nicht nur im Familienleben, sondern in vielen Begegnungen, Gruppen, Verantwortungen, Teams, Vereinen…

Und doch werden die „strengen“, einfachen Fragen gerne gestellt. Wenn ein Bischof einen Kindergarten besucht, möchte er von den Elternvertreterinnen wissen, warum das Kind in einer katholischen Einrichtung angemeldet wurde. Reicht es nicht zu sagen, dass man den Erzieherinnen vertraue, dass man selbst schon in der Kita gewesen sei, dass man einfach dazugehören wolle? Ich verstehe den Wunsch mancher Verantwortlichen nicht, in solchen Kurzsituationen katechismusgemäße, pressewirksame Statements von Eltern hören zu wollen, die einfach nur katholisch sind. Oder interessiert. Und dann aufgrund dieses „potemkinschen“ (Gouverneur Potjomkin soll der Zarin angeblich nur schöne Fassaden bemalt und gezeigt haben) Indikators bewerten zu wollen, ob es sinnvoll sei, weiter die Trägerschaft durch die katholische Kirche zu erhalten. Oder ob denn eine Jugendfreizeit katholisch genug sei, wenn doch gar nicht genug oder überhaupt nicht gebetet wurde. Und auch kein Bibelgespräch stattfand. Manche Bischöfe scheinen dann – aus dem Kontext gerissen – Gemeinden für verwildert zu halten, wenn einfach nur Kaffee getrunken würde. Das könnten ja auch andere Organisationen leisten.

Aber muss denn immer alles gleich Bildungsarbeit oder gehaltvolles Bibelstudium sein? Kann es nicht eine Vielfalt und Unterschiedlichkeit geben, in der sich viele heimisch und wohl fühlen können? Männer wollen keinen Stuhlkreis, sagt der aktuelle Militärbischof. Gerade am Anfang meiner beruflichen Tätigkeit habe ich mich selbst häufig unter diesem Druck gesehen, dass überall auch genügend gebetet würde und es „geistlich“ genug zugehe – was auch immer das wirklich heißen soll. Es ist auch nicht so einfach und einseitig zu beantworten. Natürlich soll es Wochenenden oder Abende für Glaubensgespräche geben, aber es darf auch andere Veranstaltungen geben, die einfach nur Freizeit sein dürfen. Und trotzdem sind die katholisch. Und wertvoll.

Samstag, 19. März 2016

Was gesagt werden muss ...

Facebookgruppen, die einfach Nein sagen,
emails, die mit Höllenstrafen drohen,
Postings, die Angst und Hetze und Zerrbilder verbreiten ...
und das Ganze anscheind auch noch mit vorgeblich hehren Motiven zur Rettung des sogenannten christlichen Abendlandes - wissen die Betreffenden eigentlich, was christliche Werte sind?

Es ist wohl höchste Zeit für eine Stellungnahme der Kirche, auch in Katholisch Sankt Augustin.
Pfarrgemeinderat und Seelsorger schreiben:

... Wir sehen auch die großen und nicht leicht zu lösenden Aufgaben, die sich uns stellen. Die Leitsätze des kirchlichen Engagements für Flüchtlinge der Deutschen Bischofskonferenz, die wir in der Anlage beifügen, geben für das Handeln gute Anregungen: „Gemeinsam mit Papst Franziskus setzt sich die katholische Kirche in Deutschland für eine lebendige „Kultur der Aufnahme und der Solidarität“ ein. Dabei sind wir uns bewusst, dass auch in unserer eigenen Kirche nicht alle das Engagement für Flüchtlinge und Migranten vorbehaltlos unterstützen. Gelegentlich gibt es sogar offenen Wider-spruch. Deshalb brauchen wir ein innerkirchliches Gespräch, das Ängste und Befürchtungen aufgreift und überwinden hilft.“ Zu diesem Gespräch wollen wir in unseren Gemeinden einladen.

Donnerstag, 11. Februar 2016

Chance oder Mainstream?

Sich gegenüber stehen grundsätzliche oder gar fundamentalistische Meinungen:

Sollen wir als Kirche die reine Lehre im heiligen Raum verkünden, sammeln im überschaubaren Raum, vertraute Angebote von bekannten Gesichtern gestalten für die passenden Menschen
oder
sollen wir den Aufbruch in Ungewisses wagen, uns einlassen auf und mit weltlichem Raum, Neues und Unbekanntes wachsen lassen und entwickeln, dabei offen sein für viele, für genau die, die dort sein werden, auch für ganz andere als die gewohnten Milieus?

Trauen wir uns mit unserem Profil und unserer Botschaft auf den Marktplatz, wie es seinerzeit Paulus getan hat? (Apostelgeschichte 17, 22.23.27.28)

Welcher Meinung schließen sie sich an? Ich frage mich wie andere auch für unsere Gemeinden: Welche Not sehen wir, welche Aufgabe steht an, ist die unsere, verlangen die Zeichen der Zeit von uns? Welche Chancen bieten sich uns (theologisch sagt man: Kairos, der richtige Augenblick für die richtige Handlung, Gott gegeben), wo weht der Geist Gottes, den wir nicht immer oder noch nicht verstehen? Was entwickelt sich in diesem glänzenden und lichtdurchfluteten neuen Haus in der Mitte unserer Stadt, von dessen Dach aus man nun sogar den Kölner Dom sehen kann?

Was für einen weiten Blick man doch gewinnen kann, wenn man sich an neue Orte wagt. Wenn wir dorthin schauen und vor dort aus wieder auf uns schauen, können wir viel lernen. Alles dort ist neu und unter voller Beanspruchung: Massen von Schülerinnen und Schülern, Passanten, Aktionen, Nutzer des für uns hier vor Ort noch ungewohnten und für viele sehr wertvollen WLans (freies Internet für Mobiltelefone). Daneben findet der Abbruch eines altgedienten Gebäudes statt, noch Unbekanntes ist nur angedeutet, Auswirkungen sind nur zu erahnen - gilt das nicht für vieles genauso, was aufmerksame Beobachter unserer internen kirchlichen Wirklichkeit wahrnehmen? Ist es nicht gut, die allzu gewohnten Wege zu überdenken? „Kirche, die über den Jordan geht“ lautet der Titel eines anregenden Buches der letzten Jahre – das bedeutet nicht Niedergang, sondern Kundschafter in unbekanntes Land zu senden. Das Erzbistum Köln hat das Schlagwort „Neue Wege in Pastoral“ ins Spiel gebracht – für manche Gewohnheit könnte die Realität der nahen Zukunft mehr Schlag als Ratschlag sein.

Es trotzdem zu wagen und zu investieren, sich etwas entwickeln zu lassen tut Not, auch wenn es vielleicht nur ein Versuch ist, ein Experiment - nicht jeder Bauplan wird zu einem Dom, der die Jahrhunderte und bewegte Zeiten, ja sogar Kriege überdauert. Aber für die Zeit genau heute, für die Sorgen und Wege der Menschen genau heute sollten wir uns trauen – wir sind als Kirche „für die Menschen bestellt“, wie Kardinal Frings es auf sein Wappen geschrieben hatte. Einige sind schon bereit es zu wagen und ihr Herz und ihre Zeit einzusetzen - begleiten sie es mit Gebet und Kraft und Nachfrage und Neugier und Einsatz und Hilfe und mit Dingen und Gedanken, die möglicherweise noch niemand kennt - mit Gottes Segen, wie wir auch gebeten wurden ihn über das neu eröffnete Haus zu sprechen, wird es gelingen. Frei nach Augustinus: eine Stadt und auch eine Kirchen- oder Pfarrgemeinde besteht nicht aus Mauern und Strukturen, sondern aus den Menschen.