200 Jahre Stille Nacht – Heilige
Nacht
Die Redaktion des Pfarrbriefes in Troisdorf (www.trokirche.de) hat
ihre Weihnachtsausgabe mit nachdenklichen Beiträgen aus heutiger Zeit zu den
einzelnen Teilen der berühmten ersten Strophe entfaltet. Die AutorInnen und der
Zeichner haben sie uns freundlicherweise zur Verfügung gestellt:
Juan Francisco González, 2018 |
Als TelefonSeelsorger bin ich einsam in meinem stillen Büro und
doch fühle ich mich gleichzeitig als Teil eines Netzwerkes von über 7000 Frauen
und Männern, die diesen Dienst in Deutschland an über 100 Orten tun.
Wenn ich um 2:30 Uhr in der Nacht ein Gespräch annehme, dann bin
ich alleine der Mensch, der der Anrufer*in ein echtes Gegenüber und eine
wohltuende Begegnung sein kann. Je nach Thema lastet dann auch etwas auf mir,
das ich aushalten und sortieren muss – für die Anrufer wie für mich. In den
Supervisionen und Fortbildungen mit den Kolleg*innen habe ich da aber Rückhalt
und stärkende Gemeinschaft – und lerne immer wieder Neues über mich selbst. In
den Gesprächen selbst ist natürlich auch nicht immer nur Schweres, es darf auch
Freude und Lachen geben. Ein gelungenes Gespräch tut beiden Seiten gut!
Ich weiß in dieser Nacht aber nicht nur um meine persönlichen
Grenzen, sondern auch, dass zeitgleich mit mir in ähnlichen Räumen um die
hundert Andere sitzen, die sich dafür Zeit nehmen. Ich bin nur einer von denen,
die „wachen“. In meiner Nacht sitze ich dann im mir so vertraut gewordenen
Telefonzimmer mit dem Schreibtisch und einigen Unterlagen, oft einer Kerze und
meist Kaffee. Durch die Jahreszeiten hindurch staune ich in den Gesprächspausen
über den Baum vor dem Fenster, der den Kreislauf des Lebens im Jahr abbildet
und eine unglaubliche Kraft und Ruhe ausstrahlt. Ich kann es mir angenehm
machen, aber nie weiß ich, was bis zur Morgendämmerung durch den Telefonhörer
zu mir kommen wird. Jedes Klingeln – über vierzigmal in 24 Stunden – ist eine
Ungewissheit. Berührend kann es sein, wenn ich schon mit einem kleinen „Hallo“
Menschen an ihrer Stimme wiedererkenne. Viele Anrufende melden sich nicht zum
ersten Mal. Manche begleite ich über Jahre und Lebensphasen. Mehrere Stunden
wird in jeder Schicht telefoniert, über den ganzen Tag gesehen um die 14
Stunden.
„Alles schläft“ stimmt also nicht ganz, wenn hunderte anrufen –
jede Nacht. „Einsam wacht“ ist relativ, wenn ich über Stunden mitfühle, beim
Überlegen unterstütze, oft auch abgrenze. Es ist immer wieder ein Aufbruch zum
Dienst, aber es sind viele gute und wohltuenden Momente, die ich gerne teile,
die mich persönlich berühren und reifen lassen. Ich weiß, für wen ich da wache
und „Nachtgesicht“ bin.
TelefonSeelsorge: 0800/111 0 111 | 0800/111 0 222
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