Samstag, 14. November 2015

Sich an die eigene Nase fassen

Bild aus dem Haus Völker und Kulturen, Sankt Augustin (B. Bungarten)


Auch aus Afrika drängen immer mehr Flüchtlinge übers Mittelmeer nach Europa. Mit Entwicklungshilfe versuchen wir gegenzusteuern. Warum das aussichtslos ist.

Über 800.000 Menschen werden dieses Jahr laut Innenminister Thomas de Maizière zu uns kommen. Das überrascht viele. Wir sollten uns jedoch fragen, warum diese Menschen zu uns kommen.

Mal einen anderen Blickwinkel versuchen

Die Projektwoche bietet Anlass, einmal die afrikanische Maske aufzusetzen und zu versuchen, das Problem aus einem anderen Blickwinkel zu beleuchten.
Die afrikanischen Flüchtlinge kommen meistens aus einem von zwei Gründen: Krieg oder Armut. In der Bundesrepublik wird nur der erste als Asylgrund anerkannt. Menschen, die wegen ihrer Armut fliehen, werden als „Wirtschaftsflüchtlinge“ abgeschoben. Hier verweisen die Politiker dann immer darauf, man würde ja die Fluchtursachen bekämpfen. Doch was ist die Fluchtursache? Die Antwort: Wir.
Nicht nur, dass die europäischen Staaten als Kolonialmächte die einseitige Wirtschaftsausrichtung der afrikanischen Länder verursacht haben, die nun zunehmend darunter leiden. Nein, die Europäische Union überschwemmt auch noch die lokalen Märkte mit hochsubventionierten, eigenen Produkten, die für lokal produzierte Waren eine vernichtende Konkurrenz darstellen. Damit verlieren die Bäuer*innen ihre Lebensgrundlage.

Europa nimmt Bäuer*innen die Lebensgrundlage

Ein gutes Beispiel dafür sind Geflügelabfälle. Auf dem deutschen Markt verbleibt nur die Hühnerbrust, alles andere wandert auf den anderen Kontinent. Die Abfälle sind dort so billig, dass z.B. in Ghana neun von zehn Hühnerfarmen schließen mussten.
Wenn die ghanaischen Landwirt*innen von europäischen Produkten in die Knie gezwungen wurden, haben sie im Prinzip drei Optionen: völlige Armut, Flucht nach Europa oder Piraterie. Was ist uns lieber?
Aufgrund der zunehmenden Verarmung der afrikanischen Staaten, sind sie gezwungen, sich Geld bei der EU und dem IWF zu leihen. Eine der Bedingungen dafür: Das Abschließen eines Freihandelsabkommens mit den europäischen Staaten.. Diese untersagen es den Ländern, ihre Wirtschaft durch höhere Einfuhrzölle zu schützen. Damit haben die subventionierten Produkte der EU leichtes Spiel, die Zerstörung der afrikanischen Märkte wird weiter forciert.
Auch bei den Fischern ist es kaum anders: Europäische Fischtrawler, riesige, schwimmende Fischfangfabriken, leeren die Meere vor der afrikanischen Westküste. Was die arbeitslosen, lokalen Fischer dann machen, kann man in Somalia beobachten: Piraterie feiert Hochkonjunktur.

Europa macht Afrika arm

Diese Beispiele zeigen: Für unsere Wirtschaft nehmen wir die Armut Afrikas in Kauf. Entwicklungshilfe ist wichtig und richtig, bleibt aber nur ein Tropfen auf dem heißen Stein, solange sich nichts an der Exportpolitik der EU ändert.
Wenn wir nun die Maske absetzen, sollten wir in Erinnerung behalten, was uns der Blick aus der afrikanischen Perspektive gelehrt hat: Bevor wir uns über Flüchtlinge beschweren oder unsere Entwicklungshilfe bejubeln, sollten wir uns erst darum kümmern, unsere Zerstörung der afrikanischen Märkte abzustellen.

Dieser Beitrag wurde ursprünglich für die Dokumentationszeitschrift „afri:doku“ zur Projektwoche des Albert-Einstein-Gymnasiums 2015 verfasst. Leider ist er in dieser Zeitung nicht mehr zu finden. Albert Wenzel

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