Sonntag, 12. Januar 2014

Was habe ich mit 185 Seiten zu tun?

Ende November kamen in dichter Folge gleich zwei umfangreiche Papiere in die Öffentlichkeit. Beide sind sie 185 Seiten lang: Das Koalitionspapier von CDU/CSU und SPD, welches die Politik in unserem Land für die nächsten Jahre vorgibt, und das Evangelii Gaudium, welches eine Revolution der Kirche anregen will. Das eine wird von Parteitagen und einer Mitgliederbefragung in Kraft gesetzt. Das andere bittet darum gelesen und überlegt zu werden, auch wenn sein Autor, Papst Franziskus selbst, sich bewusst ist, dass seine Texte in der heutigen Zeit nicht auf großes Interesse in der breiten Öffentlichkeit stoßen. Aber er wird durchaus als Regierungserklärung interpretiert. Eine Art Mitgliederbefragung gab es übrigens auch, kurz zuvor. Haben Sie da auch mitgemacht?
 
Es gab schnell unzählige Zusammenfassungen und Lesehilfen zum apostolischen Rundschreiben und bei genauem Hinschauen ist es wie in fast jeder Kommunikation: Sie beinhalten Selbstaussagen der jeweiligen Autoren und eine Meinung in der Auswahl der Schwerpunkte. Richtig zufrieden war ich mit keiner der angebotenen, dagegen manchmal irritiert oder nachdenklich, sogar ärgerlich.
 
(ANKOMMEN?)
Bemerkenswert für mich ist die besinnliche Sichtweise, dass Gottes Gegenwart in der Stadt nicht hergestellt, sondern entdeckt werden muss, dass der religiöse Aspekt sich in verschiedenen Lebensstilen vermittelt. Trotzdem wird die bleibende Bedeutung der Pfarrei nicht verneint, WEIL sie formbar ist. Das sind kräftige Gedankenanstöße gegen manche Tendenzen zur religiösen Monokultur und zum Gebot, dass immer alles ganz genau so gemacht werden muss wie immer. Dieses pseudopastorale Argument wird entlarvt. Alles dreht sich um die Sendung und den missionarischen Auftrag Jesu: Bringt allen Menschen die frohe Botschaft! Besonders denen, die am Rand stehen. Auch wenn eure liebgewonnene Kirche dabei vielleicht etwas verbeult wird. Ich glaube, dass manche Kirchenbilder und Kirchenalltage auch bei uns die eine oder andere Beule brauchen, um wirklich für die vielen Menschen erreichbar, sichtbar oder sogar berührbar zu werden.
("Papas Mobil" dazu im Vatikan)

Ich fühle mich durch die Worte vom argentinischen Papst aus Rom ermahnt, ermutigt und angeregt zu missionarischer Kreativität und möchte „großherzig und mutig die Anregungen“ aufgreifen, „ohne Beschränkungen und Ängste“. Wer macht mit?


Ob Anonym oder nicht: schreiben Sie mir Ihre Meinung, ergänzen Sie die Gedanken, diskutieren Sie Ideen mit, gestalten Sie konkrete Handlungsvorschläge. Lassen Sie sich mitnehmen in die Dynamik der „Mission“ – und werden Sie selbst immer mehr, was Sie sind – Gesendet! In Freude! Des Evangeliums! (= Evangelii Gaudium)....

1 Kommentar:

  1. Danke für diese wunderbare Idee, aufzubrechen. „Ankommen“, „Aufbrechen“ und „Gott“ – wie hängt das zusammen? Vielleicht zuerst sich selber aufbrechen, immer wieder spüren, Fragen stellen. Dadurch bei sich selber ankommen und dadurch langsam stark werden. Beobachten. Erkennen, dass es stimmt, dass es um das Ganze geht und man selber darin ein Stück weit mitgeht. Von anderen unentdeckt, aber aufgehoben in diesem Prinzip wie alle. Glück und Schicksalsschläge, obwohl die Blumen im Garten weiterblühen: Worum geht es eigentlich? Nicht um Individualität, sondern um das Leben und das Sterben und wieder das Leben. Dann frei entscheiden, wie man diese Erkenntnis nennen möchte; nicht, weil man gewöhnt ist, es so oder so zu nennen. Man kann es dann zum Beispiel „Gott“ nennen, Gott „entdecken“. Dann frei entscheiden, wieviel Kraft man hat. Denn ein Miteinander und ein Mitfühlen brauchen ja Kraft, wenn man um die Endlichkeit weiß, dann kann man doch lieben, gütig sein, einander ebenbürtig fühlen. Dann aufbrechen. Nicht um Dinge zuzukleistern, die schlecht sind, die sich nicht grundsätzlich werden ändern lassen. Es geht nicht um eine unrealistische Schwärmerei. Sondern vielleicht eher darum, anderen einfach ins Gesicht zu schauen. Denn wer sich gesehen fühlt, merkt doch, dass er da ist. Und wird sich seiner dann vielleicht auch noch bewusster. Und beginnt, sich selber noch mehr aufzubrechen. Bevor ich nicht aus mir selber heraus stark geworden bin, ist Gott eine Krücke für mich, an der ich mich mühsam hochziehe. Dann kann ich nicht wirklich aufbrechen „ohne Beschränkungen und Ängste“. Nicht beschützen, auch Gott nicht beschützen. Wie heißt es so schön? „Wir sind, wen wir beschützen“. Diese Dynamik ist ewig.
    Melanie Henzgen

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