Dienstag, 7. November 2017

Aktiv und Beschaulich

Ist es in der Frage nach Ihrem persönlichen Ausdruck von Christsein im alltäglichen Le­ben die vermeintlich gegensätzli­che Frage nach Aktionismus oder Weltflucht? In vielerlei Formulie­rung steht dies scheinbar gegen­einander: Innen oder Außen, Aktiv oder Kontemplativ, Tun oder Beten, Aktionismus oder Besinnung. Bi­blisch kennen wir es ähnlich aus dem Lukasevangelium bei Maria und Martha (Lk 10,38-42). 

Aktion Goldhandys auch in unseren Gemeinden:
hundert alte Mobiltelefone wurden gesammelt.
Markenzeichen christlicher Spi­ritualität, eines Lebens mit Jesus Christus im Blick, sollte aber die Balance zwischen Innenwelt und Außenwelt sein, zwischen Machen und Empfangen. Nicht alles können wir schaffen, manches wird uns geschenkt (das bedeutet Gnade) – und wir müssen auch mit Scheitern rechnen und dürfen das auch zu­lassen.

Frère Roger aus Taizé hat dies in den siebziger Jahren des ver­gangenen Jahrhunderts stark aus­gedrückt mit seiner Schrift „Kampf und Kontemplation“. Für ihn, scheinbar zurückgezogen von al­lem auf einem abgelegen Hügel im Burgund lebend, gab es keine Spi­ritualität ohne Streit und Ausein­andersetzung, und andersherum keinen Kampf für Frieden und Gerechtigkeit und die Bewah­rung der Schöpfung ohne spirituelle Tiefe und die Verankerung in Gott.

Und heute? Christliche Gemeinden, die in größeren Kontexten gedacht und or­ganisiert werden sollen? Ei­gentlich ist es ja nichts neues, denn „katholisch“ bedeutet ja aus seiner griechischen Wort­bedeutung heraus nichts anderes als „weltumfassend“. Also auch nach außen verbunden gedacht. Das steht in einer gewissen Span­nung zur Idee einer Pfarrfamilie, die sich schon gegen naheliegende Nachbarn abgrenzen muss. Ver­ständlich sind Gefühle von Ab­schiedsschmerz und Verlorensein in ungewohnten Zusammenhän­gen, aber das hat nicht unbedingt etwas mit dem Glauben zu tun. Man kann den Eindruck gewinnen, dass die Dimension des „nach au­ßen Schauens“ in gemeindlichen Kontexten ehemals nicht so wichtig gewesen sein könnte. Da kann ein Aufbrechen auch ein Segen für den eigentlichen Auftrag sein. Christus hat seine Nachfolgenden zu allen Menschen gesendet und nicht zum Einigeln aufgerufen. Am Ende jeder Messe wird uns das auch zugerufen in der Sendung.
Unser Erzbischof hat uns im Fastenhirtenbrief 2017 gefragt: „Was lässt Sie als Einzelne oder als Gemeinde in Jesu Namen erkenn­bar sein als ChristInnen in Ihrer Stadt, Ihrem Ortsteil?“ Und schon vor Jahrhunderten haben Christen geschrieben: Wir sind Gottes Bot­schaft, in Taten und Worten ge­schrieben. Mit Kurt Marti gespro­chen ist Gott ein Tätigkeitswort. Und in der Zeit großer gesellschaft­licher Bedrängnis schrieb Dietrich Bonhoeffer, dass „Christsein (…) nur in zweierlei bestehen (wird): im Beten und im Tun des Gerech­ten.“

Was ist Ihre Stärke, die Sie für ein aktives Christsein in unseren Gemeinden einbringen können? Ganz im Rahmen Ihrer Möglich­keiten, auch begrenzt, mit Freude, vielleicht auch nur als Versuch und nicht gleich verpflichtend für Jahre? Und ganz im Sinne des Zukunfts­weges für unser Erzbistum, zu dem wir aufgerufen sind: wo spüren Sie da die Verbindung zu Christus in Ihrem Leben? Wo finden Sie Gele­genheit, ihm in der Stille, im Hö­ren auf das Wort und auf die Mit­menschen, in guten Erfahrungen zu begegnen? Auch bei Maria und Martha im Evangelium muss man den Zusammenhang sehen: vorher wird uns das Beispiel des barm­herzigen Samariters gegeben, nach der Stelle mit der Bewirtung sagt Jesus seinen Nachfolgenden, wie Sie beten sollen und Gott als Vater erfahren können. Der Satz von Karl Rahner hat nichts an prophetischer Kraft verloren: „Der Christ von morgen wird einer sein, der etwas erfahren hat, ein Mystiker. Oder er wird nicht mehr sein.“

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